„Noch `n Gedicht“ und nicht nur von Heinz Erhardt – Brief zum Rezitationswettbewerb am Louise-Henriette-Gymnasium

rezitationDunkel war`s, die Sonn` schien helle,
als ein Schüler blitzesschnelle langsam auf die Bühne trat
und für uns sein Bestes gab.
Unter der Leitung der Deutschlehrerin Frau Steinmöller wiederholte sich das in der letzten Februarwoche beim zweiten Rezitationswettbewerb am Louise-Henriette-Gymnasium noch 21 mal. Zwischen „Verirrt“, „Gefunden“ und „Abschied“ rezitierten die Akteure Gedichte, die von starken Gefühlen und von Träumen handelten, aber auch von Wünschen und einer verkehrten Welt.
Ein Gedicht vorzutragen ist nicht Jedermanns Sache. In der Schule war ich immer erleichtert, wenn dieser Kelch an mir vorüber ging.
Es geht ja nicht allein darum, sich den Text zu merken. Der schwierigere Teil ist die Betonung, das Gefühl, der Rhythmus und dann die Aufregung. Im Raum sitzen Mitschüler, die dich anlächeln oder auch nicht. Die Jury liest den Text mit und achtet auf das Tempo, zählt die Versprecher und bewertet die erbrachte Leistung. Hat nicht auch jeder Angst davor, dass der Kopf plötzlich leer ist, kein Text mehr da ist?
Erich Kästner beschrieb `en kleinen Konfirmanden so treffend, dass ich ihn mir in Gedanken vorstellte. Und Leon Israel gab ihm ein Gesicht.
Das Gedicht „Genesis der Niedertracht“ von den guten Kindern, die auf dem Weg zum Erwachsenen ihre Güte verlieren, schrieb Erich Kästner schon vor über 80 Jahren.
An Bedeutung hat es jedenfalls nicht verloren.
„Sie, zu ihm“ von Kurt Tucholsky, 1931 verfasst, ist ebenso zeitlos. Laura Niederlein gelang es so gefühlvoll zu zeigen, wie wichtig Zärtlichkeit ist, dass die Jury sie mit dem 3.Platz belohnte.
„Die meisten Worte sind wie Regen,
fallen planlos vom Himmel und bleiben liegen,
sie können aber auch Bilder ersetzen,…“
So fängt das Gedicht „Die Sprache“ von Rolf Ring an. Marie Uhlmann hatte es rezitiert.
In diesem Wettbewerb sind die Worte nicht planlos vom Himmel gefallen, sondern wurden von den Teilnehmern sorgfältig ausgewählt. Nicht einfach so dahingesagt, aber sie blieben liegen, ersetzten Bilder. Den Panther aus Rainer Maria Rilkes gleichnamigem Gedicht, geschrieben im Jahr 1903, konnte ich hinter seinen Gitterstäben sehen, wie er auf und ab lief in seinem Käfig. Es waren nur 3 Strophen, aber solche, die lange im Gedächtnis bleiben. Lukas Degenhardt stand für einen kurzen Moment in diesem Käfig und erkämpfte sich damit den 2. Platz.
Der letzte Beitrag von Jasmin Gütte gefiel vor allem den Schülern. In „Materialien zu einer Kritik der bekanntesten Gedichtform italienischen Ursprungs“ schrieb Robert Gernhardt, dass er Sonetten überhaupt nicht mag. Allerdings wählte er eine ziemlich drastische Sprache. Ich hatte so meine Probleme mit dem Text. Aber da es ein sehr ausdrucksstarker Vortrag war belohnte die Jury Jasmin mit dem ersten Platz. Die Reaktion des Publikums zeigte, dass die Schüler derselben Meinung waren.
Auf jeden Fall war es ein gelungener Vormittag. Ich hoffe, dass ich nicht die Einzige bin, die sich danach vorgenommen hat, mal öfter ein Gedicht zu lesen.

Martina Dorn
Mitarbeiterin der Stadtbibliothek/Kinderbibliothek Oranienburg

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