Wie man einen Despoten heranzieht: „Die Schule der Diktatoren“

Los, brüllt der Soldat. Martialische Blasmusik ertönt. Uniformierte verteilen Fähnchen an die Zuschauer in den ersten Reihen. Sie huldvoll zu schwenken, ist jedoch niemandem vergönnt, die Winkelemente werden umgehend wieder eingesammelt. So wurden die Besucher im Oranienburger Louise-Henriette-Gymnasium bestens auf „Die Schule der Diktatoren“ eingestimmt.
Erich Kästner hat die Komödie 1956 verfasst, und sich so mit der NS-Diktatur auseinandergesetzt. Für die Schüler ist das Stück immer noch aktuell. Der Flyer, den sie am Freitag am Eingang der sehr gut besuchten Aula verteilen, verweist unter anderem auf Nordkorea und Weißrussland.
Helme, Märsche, Fahnen, es sind erste Puzzlestücke für jede funktionierende Diktatur. Den Rest erledigt besagte Schule, in der ein skrupelloser Direktor angehende Despoten heranzüchtet. Tatsächlich sind es völlig austauschbare Marionetten, die den amtierenden Machtinhaber nach einem Attentat ersetzen können, ohne dass es auffällt. „Man sollte den Nachfolgern die Zunge herausschneiden und ein Grammophon in den Bauch einbauen“, empfiehlt der Leibarzt – einer der Drahtzieher im Hintergrund.
Alles auf der Bühne ist schwarz, bis auf den roten Teppich. Auf dem wird der nächste Präsident vereidigt. Der trägt, wie alle vor ihm und nach ihm, schwarzen Anzug und Melone, weiße Handschuhe, rote Schärpe. „Hoch, hoch, hoch“, rufen die Umstehenden aus.
Die Kleidung sitzt tadellos, schon optisch soll der Diktator das Volk beeindrucken. Die entsprechende Gestik wird in mehreren Übungseinheiten einstudiert. Auf Kommando recken vier „Schüler“ den rechten Zeigefinger in die Luft.
Was martialisch aussehen soll, entlarvt Kästner so als albern und peinlich. Und spätestens, als ein paar sehr leicht bekleidete Damen die Bühne betreten, sich an den Präsidenten schmiegen, wird aus präsidialem Pomp bloßer Mummenschanz. Es sind Prostituierte, die den Despoten bei Laune halten sollen, der ist ja schließlich auch nur ein Mensch.
Die jungen Darsteller des Gymnasiums geben ihr Bestes, um dem Spott, dem Sarkasmus des Kästner-Stücks gerecht zu werden. Besonders dem diabolisch-glatten Leibarzt – optisch perfekt mit braver Fliege und gut sitzender Frisur – sowie dem zynischen Direktor gelingt es, die Zuschauer bei der Stange zu halten.
Hinzu kommen mit Liebe zum Detail geschneiderte Kostüme und eine sehr originelle Kulisse. In der gerät die Diktatoren-Maschinerie plötzlich durcheinander. Ein angehender Despot ist viel kleiner als der andere, das fällt auf. Problem gelöst, er stellt sich einfach auf einen Koffer.
Von Fritz Hermann Köser

Aus: Märkische Allgemeine vom 18.03.2013

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