Lehrer Peter Schulz begann die erste Unterrichtsstunde mit einer Warnung: Es gebe mindestens so viele arbeitslose Journalisten wie Schauspieler. Wer mit dem Schreiben seinen Kühlschrank füllen möchte, müsse sich schon an den Großen messen. An Jochen-Martin Gutsch und Maxim Leo zum Beispiel, den Kolumnisten der Berliner Zeitung; deren Texte sogar in Buchform und als Hörbücher erscheinen, die in ausverkauften Theatern lesen.
Schulz leitet seit diesem Schuljahr am Oranienburger Louise-Henriette-Gymnasium (LHG) den praxisorientierten Seminarkurs Journalismus. 20 Schüler haben sich dazu entschlossen, den Kurs als Wahlfach auf ihre Abinote anrechnen zu lassen. „Der Fokus liegt nicht darauf, dass die Hälfte der Schüler Journalist wird, sondern dass wir wieder eine Schülerzeitung haben“, sagt der Lehrer für Deutsch und Englisch. Die Abiturienten treten in große Fußstapfen: die Schülerzeitung „IWahn“, die bis 2008 am LHG erschien, gewann zweimal in Folge den brandenburgischen Schülerzeitungspreis. Der Name geht zurück auf das Jahr 1994, als das Gymnasium noch keinen offiziellen Namen trug. Weil das Gebäude nach dem Zweiten Weltkrieg als Sitz der sowjetischen Kommandozentrale gedient hatte, sprachen alle von der „Russenschule“. Da war der „IWahn“ nicht weit.
„Wir orientieren uns ganz klar an unserem Vorgänger“, sagt Lukas Degenhardt, der die Rolle des Chefredakteurs übernommen hat. Der 18-Jährige sitzt am oberen Tisch-ende in der Schulbibliothek und sammelt zerknüllte Zettelchen ein. Demokratisch und geheim hat die Redaktion mithilfe der Zettelchen abgestimmt, welcher Lehrer in den „IWahn 2.0“ darf. „Das Hauptthema der Ausgabe ist der Wechsel der Schulleitung“, sagt Lukas. Er und seine Mitschüler haben durchgespielt, was jeweils passieren würde, wenn einer aus dem Lehrerkollegium Direktor wird. Umfragen, Berichte zu Jugend trainiert für Olympia und kritische Texte zum neuen Schulsystem gehören ebenfalls zu den Themen der ersten Ausgabe. „90 Prozent der Texte haben wir fertig“, sagt Lea Viereck und greift in eine Tüte Waffelröllchen. Wenn es nach Lea und den anderen geht, muss die Zeitung noch vor Weihnachten erscheinen. „Ein Artikel bringt nur was, wenn er vor unserem Weihnachtskonzert erscheint“, fügt Lukas hinzu. Peter Schulz hält sich zurück, es sind die Schüler, von denen die Initiative kommen soll. Doch man sieht ihm an, dass er sie gern ein wenig bremsen würde. Das Layout, der Druck. Es gibt noch viel zu tun. „Wir haben natürlich überlegt, ob wir uns den Weg über das Papier sparen und eine Online-Ausgabe produzieren.“ Doch Lukas hat sich mit seiner Liebe für Papier durchgesetzt. „Was ich lese, will ich in der Hand halten“, sagt der Abiturient. (Von Juliane Primus)
Quelle: Märkische Allgemeine vom 04.12.2012